Torben, 22, ein deutscher Marketingstudent absolviert ein 3-monatiges Praktikum in Tokio beim Hersteller von grünem Tee "Edo-Maru". Neben grünem Tee produziert das Unternehmen auch Grüner-Tee-Schokolade, für die das Unternehmen Potential für eine Auslandsvermarktung erkennt. Torben hat Grundlagen des Japanischen gelernt bevor er nach Tokio reiste und er ist sehr stolz darauf, dass er zuhause seinem Freund Kai-Uwe dabei geholfen hat, Marketing für seinen Bratapfel-Stand zu machen, der aufgrund Torbens außergewöhnlichen Marketingkenntnisse sehr erfolgreich ist.
Das Marketingteam von Edo-Maru besteht aus 3 Personen, nämlich einem Mann namens Hiroyuki und zwei Frauen namens Miki und Saori, mit denen Torben arbeitet und die er dabei unterstützen soll, die Grüne-Tee-Schokolade im Ausland zu vermarkten. Sie sind alle zwischen 30 und 40.
An seinem ersten Tag im Büro in Tokio erhält Torben einen langen und detallierten Übergabebericht, den der vorherige ausländische Praktikant geschrieben hat und es wird darum gebeten, bevor er sein Praktikum beendet, einen ebenso langen und ausführlichen Übergabebericht für den Praktikanten nach ihm zu verfassen. Torben ist überrascht und denkt, dass der Aufwand für einen solchen Bericht übertrieben sei und er mindestens 2 Wochen dafür brauche, die er besser für etwas aufwenden sollte, was direkt mit seiner Marketingaufgabe zu tun habe. Er ist nicht daran gewöhnt, die Dinge so detalliert aufzuschreiben und bevorzugt, einfach seine Kollegen zu fragen und mit seinem Nachfolger zu telefonieren, um ihm zu erklären, was er gemacht hat. Er denkt jedoch, dass die 3 Monate mehr als genug Zeit seien, um seine Aufgabe zu erfüllen und den Verkauf von Edo Marus Grüner Tee-Schokolade im Ausland anzukurbeln. Er hat schließlich schon für den Bratapfel-Stand bewiesen, dass er der beste ist für das Marketing von Süßwaren!
Saori bittet Torben darum, ein Konzept zu schreiben und auch eine Präsentation zu halten über seine Vorschläge für das Marketing der Grünen Tee-Schokolade im Ausland. Als Vorlage gibt ihm Saori ein Konzept, das sie selbst geschrieben hat für ein anderes Produkt. Es ist auf japanisch verfasst, aber sie übersetzt für ihn das Inhaltsverzeichnis. Wiederum ist Torben wie vor den Kopf gestoßen über die Detailmenge des Konzepts, das eine lange Machbarkeitsstudie, lange Beschreibungen von Worst Case Scenarios mit möglichen Gegenmaßnahmen sowie eine Liste von erforderlichen Versicherungen beinhaltet. Torben denkt, dass dies alles unnötig sei und er die Aufgabe darum nicht innerhalb seines 3-monatigen Praktikums abschließen könne. Saori gibt Torben die Aufgabe, das Konzept innerhalb eines Monats anzufertigen, aber bevor er damit anfange, solle er seine Ideen den drei anderen des Teams vorstellen, damit Hiroyuki diese mit dem Marketingleiter besprechen kann, der sie wiederum dem Verkaufsleiter erläutern wird. Torben denkt, dass wenn so viele Leute mitreden wollen, seine Ideen nur schlechter werden können, aber er ist davon überzeugt, dass alle sein Konzept ohnehin lieben werden, da seine Ideen immer die besten sind und er im Falle des Bratapfelstandes schon bewiesen hat, wie gut er ist!
Gegen 18 Uhr denkt Torben, dass es Zeit sei, das Büro zu verlassen, denn er will zu einem Gruppen-Videospiel-Event, schließlich ist Japan dafür bekannt! Alle anderen im Büro erscheinen jedoch weiter voll beschäftigt mit ihrer Arbeit. Torben fragt Hiroyuki, wann sie aufhören und Hiroyuki antwortet, dass er gerade eine Email erhalten habe, die er noch heute bearbeiten müsse. Torben könne die anderen später auf ein Bier und Abendessen begleiten, wenn sie mit den Aufgaben des Tages fertig seien. Weil Torben ein Bier nie ablehnt, entscheidet er sich, weiterzuarbeiten. Um 21 Uhr treffen Hiroyuki, Miki und Saori fünf weitere Mitarbeiter aus anderen Abteilungen der Firma, darunter den Verkaufsleiter. Sie gehen in ein Izikaya, eine japansiche Bar und bestellen dort Bier und viel Essen.
In der Bar geht es sehr ausgelassen zu, Gruppen von "Salarymen" (japanischer Begriff für angestellte Geschäftsmänner) lachen laut. Der Verkaufsleiter, der 53 Jahre alt ist erzählt Geschichten, wie es in der Firma war, als er dort vor 30 Jahren anfing zu arbeiten. Das Bier wird gebracht und Torben will es sich einschenken, aber Miki bietet sich an, dies für ihn zu übernehmen. Torben bemerkt, dass sich niemand selbst einschenkt, sondern dass immer andere das für ihre Kollegen übernehmen. Er erzählt allen, dass dies in Deutschland nicht so sei. Die Gruppe fragt ihn, ob er Japan möge und er antwortet, dass er manche Dinge in Japan mag, z.B. Gruppenvideospiele, aber andere Dinge nicht, er findet etwa die japanische Musik scheußlich. Die Kollegen scheinen nicht sehr erfreut über diesen Kommentar. Miki erzählt der Gruppe, dass sie in ihrem Fitness-Studio angefangen habe, Yoga zu machen und dass es ihr viel Spaß bereite. Torben kommentiert, dass er denkt, dass es Unsinn sei, in einem Fitness-Studio Yoga zu machen aufgrund der lauten Hintergrundmusik und der vielen Leute. Für Yoga bräuchte man ein ruhiges und spirituelles Umfeld. Miki erscheint für einen Moment persönlich angegriffen durch diesen Kommentar. Torben versteht dies nicht, da er denkt, allgemein über den passenden Ort für Yoga gesprochen zu haben und nicht spezifisch über Miki. Trotzdem sind alle weiterhin freundlich zu Torben und lächeln. Torben will sich auch die Chance nicht entgehen lassen, dem Verkaufsleiter und allen anderen stolz darüber zu erzählen, wie erfolgreich der Bratapfelstand sei, für den er in Deutschland das Marketing gemacht hat und dass ihm alle gesagt haben, dass seine Marketingideen dafür genial waren. Der Verkaufsleiter meint nur, dass er gespannt sei auf sein Konzept für die ihm anvertraute Marketingaufgabe im Unternehmen.
Der Verkaufsleiter bietet sich an, die Rechnung für die ganze Gruppe zu zahlen (etwa 20.000 Yen), aber alle anderen drängen sich ebenso vor, die gesamte Rechnung zu begleichen. Am Ende stimmt der Verkaufsleiter zu, dass jeder 1000 Yen beisteuern kann, außer Torben, da er nur ein Praktikant sei.
In den folgenden Wochen fragt Torben, immer wenn ihm etwas nicht klar ist Hiroyuki, Miki oder Saori um Rat, obwohl die Antworten meist in dem Übergabebericht zu finden sind. Die drei sind immer sehr geduldig mit ihm und es scheint sie nicht zu stören, also denkt Torben, dass dies in Ordnung sei, und er erzählt ihnen auch gerne wie man die Dinge in Deutschland macht im Vergleich zu Japan. Er hat seine Marketingideen für die Grüne-Tee-Schokolade Hiroyuki, Miki und Saori mitgeteilt, die ihn nach ein paar Tagen darum bitten, einige Änderungen daran vorzunehmen. Torben mag diese Änderungen nicht besonders und fügt darum nur ein paar davon in sein schriftliches Konzept ein. Er entscheidet sich auch dafür, die Machbarkeitsstudie auf eine Seite zu beschränken, damit er das Konzept rechtzeitig fertig kriegt. Um Tokio besser kennenzulernen, verlässt er das Büro üblicherweise früher als seine Kollegen, da sie ihm gesagt haben, dass dies in Ordnung sei.
Nach ein paar Tagen will die Organisation, die Torbens Praktikum organisiert hat mit ihm sprechen, weil sich Edo-Maru and sie gewandt hat, da sie nicht mit ihm zufrieden seien und Hilfe erwarten.
Worin besteht das Problem? (Schau dir dazu auch bitte die Kulturdimensionen von Hofstede unten auf dieser Seite an).
Wenn Torben kulturell geschult wäre über die japanische Arbeitsweise, hätte er einige Fehler vermeiden können, die er unbewusst begangen hat.
Der lange, detaillierte Übergabebericht und was für das Konzept erwartet wurde, sind das Ergebnis der besonders hohen Dimensionen "Ungewissheitsvermeidung" und "Pragmatismus" der japanischen Kultur.
Japan ist eines der Länder, die in höchstem Umfang versuchen, Ungewissheit zu vermeiden. Dies wird oft der Tatsache zugeschrieben, dass Japan ständig von Naturkatastrophen bedroht ist, wie Erdbeben, Tsunamis, Taifune und Vulkanausbrüche. Unter diesen Bedingungen haben es die Japaner gelernt, sich für jegliche ungewisse Situation vorzubereiten. Dies betrifft nicht nur Notfallpläne und Vorbeugungsmaßnahmen gegen plötzliche Katastrophen, sondern jeden Aspekt der Gesellschaft. Wenn sie auch nur eine einzige Wolke am Himmel sehen, nehmen viele Japaner gleich einen Regenschirm mit, wenn sie aus dem Haus gehen. Man kann sagen, dass in Japan alles auf maximale Vorhersehbarkeit optimiert wird.
Japan ist auch eines der pragmatischsten Länder. Die Japaner sehen ihr Leben als einen kurzen Augenblick innerhalb der langen Geschichte der Menschheit. Die Vorstellung eines einzigen, allmächtigen Gottes ist den Japanern fremd, sondern ihr Leben ist geleitet von Tugenden und praktischen guten Verhaltensregeln.
Aufgrund der Ungewissheitsvermeidung sind die Japaner oft sehr streng bezüglich Regeln und Prozessen. Sie sind oft unflexibel und machen keine plötzlichen Veränderungen an Abläufen, denen üblicherweise gefolgt wird. Augrund des hohen Pragmatismus stellt der Übergabebericht sicher, dass neue Praktikanten ihren Vorgesetzen nicht zu viele Fragen stellen müssen. Es für die Japaner im Alltag und im Berufsleben sehr wichtig, anderen Leuten keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. Dies ist eine japanische Tugend und wenn man dieser nicht folgt, wird man als egoistisch (wagamama) gesehen. Die Bedeutung dieser Tugend merkt man auch z.B. daran, dass sich Japaner ständig wegen jeder (für uns scheinbaren) Kleinigkeit ausgiebig entschuldigen.
Eine weitere Dimension, die hier mitspielt ist die hohe "Maskulinität" der japanischen Kultur. Es gibt einen großen Drang dazu, etwas zu erreichen und erfolgreich zu sein. Man lebt, um zu arbeiten.
Die hohen Werte in diesen drei Dimensionen macht die japanische Kultur besonders einzigartig und faszinierend. Sie bewirkt, dass die Japaner viel erreichen, effizient sind und langzeitorientiert.
Deutschland ist deutlich niedriger in diesen Dimensionen (besonders Maskulinität und Ungewissheitsvermeidung) und daraus resultiert Torbens Unfähigkeit, sich anzupassen.
Japan ist auch deutlich "kollektivistischer" als Deutschland. Die Harmonie der Gruppe ist in Japan wichtiger als die Meinung des Einzelnen, besonders etwa in der Szene in der Bar, wo das Ziel ist, ein gutes Verhältnis mit den Kollegen aufzubauen und wo die Gesprächsthemen inhaltlich nicht "wichtig" sind. Zwei japanische Begriffe sind hierbei relevant: "Honne" ("wahre Gefühle und Wünsche") und "tatamae" ("Maskerade"). Die beiden Begriffe können sich gegensätzlich gegenüberstehen und es wird durch Tatamae erwartet, das zu zeigen, was von der Gesellschaft, der Position einer Person oder den Umständen erwartet wird. Dabei werden mögliche negative Gefühle des "Honne" in der Gesellschaft, außer im Umgang mit den engsten Freunden, versteckt. Diese Begriffe sind identisch mit dem Konzept des "privaten" und "öffentlichen" Gesichts, das Teil aller kollektivistischer Kulturen ist.
In kollektivistischen Kulturen ist es unangemessen "frei nach der Schnauze zu reden". Der Kommunikationsstil muss angepasst werden, sodass er andere nicht angreift. Dies ist anders in individualistischen Kulturen wie Deutschland, wo es normal ist, seine Meinung frei kundzutun, was Torben machte, indem er japanische Musik und die Tatsache, dass seine Kollegin Yoga in einem Fitness-Studio macht, öffentlich kritisierte.
Als Mitgleider einer maskulinen Kultur bleiben die Mitarbeiter bis spät im Büro, um allen zu zeigen, "dass sie ihr bestes tun" im Interesse der Gruppe. Wenn jemand seine Arbeitsziele nicht wie erwartet erreicht UND gleichzeitig scheinbar nicht sein/ihr bestes getan hat, wird es als sehr negativ angesehen. Weil Torben früher den Arbeitsplatz verließ, erweckte er jedoch den Anschein, nicht Teil des Teams sein zu wollen. Es ist ein kollektivistisches Merkmal, dass die Kollegen untereinander Solidarität zeigen und gemeinsam hart arbeiten. Wer scheitert, obwohl er sein bestes getan hat, wird in Japan durchaus von der Gruppe mitgetragen. Japaner identifizieren sich stark mit ihrem Team (Kollektivismus), innerhalb dessen es traditionellerweise wenig "Wettbewerb" gibt, sondern man tritt gemeinsam in der Gruppe in den Wettbewerb gegen andere Teams (Maskulinität) - schon in japanischen Schulen lernen die Kinder Gruppenwettbewerbe wie "Rotes gegen Weißes Team". Aufgrund der höheren "Machtdistanz" als in Deutschland ist der Verkaufsleiter für das Team wie eine Vaterfigur. Da er über ein höheres Einkommen verfügt, ist es für ihn selbstverständlich, einen höheren Anteil an der Rechnung zu übernehmen.
Japaner mögen auch keine Leute, die "großmäulig" sind ("Ookuchi tataku") und ihre Fähigkeiten übertreiben. Japaner untertreiben eher ihre Fähigkeiten und Erfahrungen. "Großmäulig" zu sein sehen viele Japaner als Eigenschaft von Westlern, besonders Amerikanern. Bewerber für Praktika in Japan sollen in ihrem Lebenslauf ihre Kenntnisse besser nicht übertreiben. Es wir höher wertgeschätzt, wenn man eine bessere Arbeit abliefert, als was von einem erwartet wurde, als umgekehrt. Dies hat ebenso mit der hohen Ungewissheitsvermeidung in Japan zu tun - in solchen Kulturen geht die Bewunderung an den Experten und nicht den "Schwätzer". Auch die Dimensionen Maskulinität (etwas erreichen und der beste sein und dies nicht nur behaupten) und Kollektivismus (Team Player) spielen hierbei mit.
Die japanischen Teammitglieder kritisieren den Praktikanten nicht direkt (direkte Kritik existiert nicht in Japan, aus diesem Grund wären auch Fernsehprogramme wie "Deutschland sucht den Superstar" in Japan nicht denkbar). Dies ist eine typische kollektivistische Eigenschaft. Die Merkmale der Kritik sind so subtil, sodass Torben, der aus einem individualistischem Land kommt nicht bemerkt.