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Postkolonialismus - Sieh die Welt mit anderen Augen!

 

postkolonialismus Was ist eigentlich Postkolonialismus?

 
Der allgemein gängigen Definition nach meint Kolonialismus die territoriale Besetzung von Gebieten. Diese Gebietsansprüche führten in der Vergangenheit dazu, dass nicht nur lokale Wirtschaftssysteme zerstört wurden, sondern auch bestehende Wissens- und Bildungssysteme missachtet und zum Großteil ausgelöscht wurden. Demzufolge umfasst der Kolonialismus nicht ausschließlich die Besetzung von Gebieten, sondern auch die Inbesitznahme des Geistes.

Gewachsen ist daraus eine Zweiteilung der Welt: von Unterdrückenden und Unterdrückten. Und auch nach Ende des Kolonialismus ist diese verinnerlichte Dominanz vs. verinnerlichte Unterdrückung spürbar. Diese Folgezeit, in der die Hierarchisierung der Welt weiterhin Bestand hat, bezeichnet man als Postkolonialismus.

Die Sensibilisierung für postkoloniale Denkweisen soll zum Ziel führen, koloniale Machtverhältnisse abzubauen. Dabei wird die klassische Logik von der Einteilung der Welt in Frage gestellt. Kulturelle Zuschreibungen und Abwertungen sowie objektivierende und stereotype Darstellungen von Menschen und Gegebenheiten im globalen Süden, die rassistische Klischees bestärken, müssen hinterfragt und aufgearbeitet werden. Weiterhin soll die nach jahrhundertelanger Tradition gewachsene Indienstnahme des globalen Südens durch den globalen Norden durchbrochen werden, sodass eine gleichberechtigte, gemeinsame und reflektierte Entwicklung staffinden kann. Entwicklung versteht sich dabei nicht, als die unhinterfragte Fortführung bzw. Übernahme der Normen und Vorgaben des globalen Nordens, sondern die tatsächliche Einbindung aller Perspektiven.
 

Beispiele für postkoloniale Denkweisen

 
Postkoloniale Denkweisen herauszuarbeiten, ist ein sensibles Thema und erfordert die Einsicht, dass man sein eigenes Handeln reflektiert wahrnimmt und dieses selbstkritisch hinterfragt. Erfahrungsgemäß löst dies vielmals Unwohlbefinden aus. Es geht aber keinesfalls darum, jemanden bloßzustellen oder anzuprangern, sondern vielmehr steht eine Analyse der Perspektiven im Vordergrund und die Sensibilisierung für verschiedene Blickwinkel auf den gleichen Sachverhalt. Unsere Wahrnehmung definiert sich durch ihre Verschiedenheit zur Wahrnehmung eines jeden anderen. Sie ist abhängig von unseren Vorerfahrungen, d.h., mit welchen Erlebnissen, Ereignissen, Wissen, usw., die wir bereits gesammelt haben, wir neue Erfahrungen verknüpfen. Dieser Prozess ist sehr individuell und zudem muss man auch einbeziehen, dass die selbe Person gleiche Erfahrung nicht immer gleich wahrnimmt, woraus sich eine überaus große Komplexität und Menge an Wahrnehmungen ergibt.

Im Folgenden werden Beispiele aus der Praxis aufgezeigt, die postkoloniale Denkweisen verdeutlichen und Anregungen gegeben, welchen Umgang man damit finden kann:
 

Beispiel 1


Laura ist erst seit wenigen Tagen in ihrem Gastland und wohnt dort in einer Gastfamilie. Sie beschließt kurzerhand die Gastfamilie zu verlassen, ungeachtet der Tatsache, dass sie eine Vereinbarung bezüglich ihrer Unterbringung eingegangen ist. Sie möchte in eine Unterbringung zusammen mit anderen Freiwilligen wechseln, die ihre Sprache sprechen und wo es auch sonst vergleichbar mit einer WG von zuhause zugeht. Die Reaktion der darüber enttäuschten Gastfamilie verblüfft Laura. Sie reagiert mit den folgenden Worten: "Ich hatte eigentlich ein wenig Verständnis erhofft. Ich bin ja freiwillig hier und wenn ich mich wohnlich nicht wohlfühle, bedarf das einfach auch keiner weiteren Erklärung. Ich weiß, dass ich das recht schnell entschieden habe, aber letztendlich habe ich auch noch vor, zwei weitere Monate hier zu bleiben und da muss ich mich wohlfühlen."

Es steht natürlich außer Frage, dass Laura sich wohlfühlen soll. Dennoch spiegeln sich in ihrer Äußerung ganz deutlich postkoloniale Denkweisen wider. Laura rückt ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt und verstärkt ihre Machthaltung durch die Betonung, sie sei schließlich freiwillig vor Ort. Damit positioniert sie sich als die Überlegene, während hingegen die Gastfamilie, stellvertretend für die Menschen des globalen Südens, als eine Menge gesehen wird. Laura sieht sich demnach als Individuum und stellt sich "den Anderen" gegenüber. Sie entscheidet, was gut und was schlecht ist und setzt damit die Norm, ohne die örtlichen Gegebenheiten reflektiert wahrzunehmen. Durch ihre Äußerung vermittelt sie den Eindruck, dass der Aufenthalt ausschließlich nach ihren Bedingungen stattzufinden hat, womit sich eine klare Indienstnahme des globalen Südens zeigt. Sie diktiert als Vertreterin des globalen Nordens, wie ihr Aufenthalt zu sein hat. Bestehende Ungleichverhältnisse werden somit stabilisiert und fortgesetzt.
 
Die vorgestellte Situation zeigt, wie Vorurteile bekräftigt und die Machtverhältnisse bestärkt werden können, was sich negativ auf eine gleichberechtigte Entwicklung auswirkt, die der Hierachisierung der Welt ein Ende setzen möchte. Denn Ziel eines Aufenthaltes in Ländern des globalen Südens ist es, Machtverhältnisse, die sich aus dem Kolonialismus herausgebildet haben, abzubauen. Ein Weg dies zu erreichen, ist seine Gedanken, sein Verhalten und Handeln zu überdenken und auch zu besprechen. Hierfür stehen u.a. unsere Länderkoordinatoren sowie auch unser internationales Team zur Verfügung, die über viel Erfahrungen aus der Praxis verfügen und sich auch teilweise in gleichen Situationen wiedergefunden haben. Denn kein Meister ist bisher vom Himmel gefallen. Unser Team hilft dir bei deinem Lernprozess. Wichtig ist dabei, Verantwortung für sein Handeln und seine Entscheidungen zu übernehmen. In unserem Beispiel entschied sich Laura vor ihrer Anreise für eine Gastfamilienunterbringung, um die örtlichen Gegebenheiten intensiv kennenzulernen. Ihre ursprüngliche Motivation wirft sie jedoch schnell über Bord, nachdem sie feststellt, dass dies gar nicht so einfach ist. Überdenke deine Motivation für deinen Aufenthalt und wäge ab, welchen Gewinn du daraus für deine persönliche Entwicklung ziehen kannst, auch wenn der Weg dorthin mit bestimmten Herausforderungen verbunden ist.
 

Beispiel 2

 
Ruth und Amelie sind seit etwa acht Wochen als Freiwillige in einem Tierschutzprojekt aktiv. Damit die Projektspende, die für sie seitens der Organisation, die den Einsatz organisiert hat, an das Projekt ausgezahlt wird sinnvoll eingesetzt wird, beschließen sie, das Geld selbst zu verwalten und legen fest, wofür es verwendet wird. Die Projektleitung fühlt sich mit dieser Entscheidung sehr unwohl, nimmt die Entscheidung aber am Ende an, um nicht als undankbar zu gelten.
 
Ruth und Amelie nehmen eine übergeordnete Position ein, in der sie, obwohl erst seit wenigen Wochen im Gastland bzw. im Projekt, festlegen, wofür ihre Projektspende verwendet wird. Dass sie sich dazu berechtigt fühlen, geht auf die historisch gewachsenen kolonialen Machtverhältnisse zurück. Demnach entscheidet der globale Norden, was entwickelt werden darf. Ob dies den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht, ist nebensächlich. Weiterhin impliziert das Verhalten von Ruth und Amelie, dass der globale Süden nicht in der Lage sei, sinnvoll zu entscheiden, wofür das Geld eingesetzt wird. Lokales Wissen und Fähigkeiten werden dadurch abgewertet. Die Projektleitung verhält sich gleichermaßen gemäß der durch den Kolonialismus herausgebildeten Hierarchien und akzeptiert aus der Tradition der verinnerlichten Unterdrückung das Vorgehen der beiden Mädchen.
 
Mit Sicherheit verfolgen Ruth und Amelie eine gute Absicht, aber ihr Verhalten zeigt, wie verankert postkoloniales Verhalten zutage tritt. Daher ist es mehr als wichtig, seine Vorhaben und die damit verbundenen Folgen zu hinterfragen. Befindet man sich in einer Situation wie Ruth und Amelie, so sollte die Projektleitung einbezogen werden, wobei diese das Recht inne hat die Entscheidung zu treffen, wofür das Geld eingesetzt werden soll. Denn eigentlich weiß niemand besser als die Menschen vor Ort selbst, was gebraucht wird. Vertrauen und die Abgabe von Verantwortungen des globalen Nordens an den globalen Süden verringert die gelebte Distanz zwischen Dominanz und Unterdrückung.
 

Beispiel 3

 
Annika engagiert sich in einem Projekt für Straßenkinder. Nach der ersten Woche trifft sie sich mit ihrer örtlichen Betreuerin und vertraut ihr an, dass sie sehr enttäuscht von ihrem Projekt sei. Sie begründet ihre Enttäuschung damit, dass die Kinder gar keine richtigen Straßenkinder seien. Sie seien sauber und haben Kleidung. Diese Kinder bräuchten gar keine Hilfe. So habe sie sich ihren Aufenthalt nicht vorgestellt.

Annikas Erwartungen sind durch postkoloniales Denken charakterisiert. Sie geht ganz selbstverständlich von einer traditionell gewachsenen Zweiteilung der Welt aus; einerseits gibt es den globalen Norden, der hilft, und andererseits gibt es den globalen Süden, in dem bedürftige Menschen leben, die Hilfe brauchen. Dabei werden die Menschen des globalen Südens nicht selten als in romantisierender Armut lebend verstanden und es ist der Wunsch vieler, dies kennenzulernen. Aber die Motivation hinter einem Aufenthalt im globalen Süden sollte es nicht sein, Exotisches zu erleben, Stereotype und Klischees bestätigt zu finden oder Armut zu beschönigen. Die Vorstellungen von Annika widersprechen dem Grundgedanken einen Beitrag zu leisten, der besagt, den Status Quo zu verändern und nicht nur Armut zu verwalten. Auch verdeutlicht Annika ihre Machtposition, indem sie festlegt, wann keine Hilfe mehr notwendig ist.
 
Postkoloniale Denkweisen umfassen, wie eingangs erläutert, eine Abwertung oder auch Klassifizierung. Diese wird in diesem Beispiel besonders deutlich. Annika gibt den Leben von Kindern unterschiedliche Wertigkeiten. Sie unterscheidet zwischen richtigen und falschen Straßenkindern. Woran macht Annika das fest? Zu dieser Schlussfolgerung kommt sie, da sich durch den Kolonialismus das klischeehafte Bild herausgebildet hat, wie Straßenkinder im globalen Süden auszusehen haben. Diese stereotype Auffassung gilt es zu durchbrechen. Denn auch die Länder des globalen Südens und ihre Gesellschaften sind so facettenreich wie die Länder und Gesellschaften des globalen Nordens.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich bereits vor dem Aufenthalt intensiv mit seinem Gastland zu befassen und sich mit globalen Zusammenhängen, gesellschaftlichen Strukturen, Geschichte, usw. auseinanderzusetzen, um ein realistischeres Bild der lokalen Gegebenheiten zu gewinnen.


Beispiel 4

 
Nele wohnt in ihrem Gastland in einer Gastfamilie. Ausstattung und Verpflegung entsprechen den örtlichen Gegebenheiten einer Familie der Mittelschicht. Nach einigen Wochen erfährt sie, dass es günstigere Unterbringungen gibt, woraufhin sie der Meinung ist, dass sie zu viel für ihre Unterbringung mit Verpflegung bezahle. Schließlich sei sie in einem Entwicklungsland und da sollte alles recht günstig sein. Zudem scheint die Familie auch nicht wirklich so arm und hätte die Mieteinnahmen gar nicht nötig.
 
Nele hat eine klare Vorstellung, was eine Familie verdienen darf und auch geht sie ganz selbstverständlich davon aus, dass in einem sogenannten Entwicklungsland, doch alles besonders günstig sein sollte. Auch diese Haltung lässt sich auf den Kolonialismus und dem postkolonialen Denken zurückführen. Neles Erwartungen, in einer armen Familie zu wohnen, verdeutlichen das Klischee, dass im globalen Süden Arme und Bedürftige leben, die auf die Hilfe des globalen Nordens angewiesen sind. Nele als Vertreterin des globalen Nordens legt dabei fest, was arm heißt und wann eine Hilfe nicht mehr notwendig ist. Sie respektiert nicht die Preisgebung der Menschen des globalen Südens. Auch impliziert ihre Haltung, dass Armut erhalten werden soll. Denn Nele sieht keine Notwendigkeit, dass die Familie weiterhin finanziell unterstützt wird, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Günstigere Unterbringungen findet man teilweise vor Ort. Aber dies ist oft darauf zurückzuführen, dass ausländische Reisende/Organisationen eine gleiche Einstellung wie Nele haben und die Preise drücken. Die Gastfamilien/Anbieter von Unterbringungen nehmen dies meist dennoch an, da es besser ist, als vielleicht gar nicht zu vermieten. (Hinweis: Ist die Nachfrage nach Wohnraum größer als das Angebot ergibt sich eine andere Situation.) Diese Art der Billigmentalität ist abzulehnen. Bitte respektiere die Preisvorgaben der lokalen Anbieter von Unterbringungen. In der Regel können die Gastfamilien/Anbieter von Unterbringungen ihren Lebensunterhalt zwar auch ohne die Mieteinnahmen bestreiten, aber für die meisten von ihnen gibt es selten die Möglichkeit über den grundlegenden Lebensunterhalt hinaus größere Anschaffungen oder Unternehmungen zu machen wie etwa auf Reisen zu gehen. Wenn es für Nele selbstverständlich ist zu reisen, warum will sie dann ihrer Gastfamilie das Recht dazu abstreiten?


Beispiel 5


Ben absolviert seinen Aufenthalt in einer Musikakademie in einem afrikanischen Land. Er ist leidenschaftlicher Musiker und beherrscht seine Instrumente sehr gut. Nach einigen Wochen zieht er das folgende Fazit: Ich weiß genau, dass Afrika nicht Europa ist. Trotzdem: Es gibt niemanden, der mit mir auch nur ansatzweise europäische Musik auf meinem Niveau machen kann. Es gibt niemanden, der mich musikalisch weiterbringt. Es gibt auch niemanden, der nur ansatzweise etwas von Gesang versteht oder mich auf dem Klavier begleiten kann. Ja, es gibt sogar nur ein Klavier, auf dem man einigermaßen ordentlich Musik machen kann.
 
Ben ist erstaunt darüber, dass in seinem Gastland die Musiker wenig Wissen über europäische Musik haben. Diese Denkweise ist darauf zurückzuführen, dass die allgemeine Annahme besteht, in Afrika müsse westliches Wissen verbreitet sein. Diese Meinung zeigt die durch den Kolonialismus verursachte im Denken des globalen Nordens verankerte Überlegenheit der eigenen Kultur und Abwertung lokalen Wissens sehr deutlich; in unserem Beispiel die Abwertung lokaler Musik und Instrumente sowie der Art und Weise, wie Musik umgesetzt wird. Ben legt dabei fest, was "ordentliche" Musik sei. Er nimmt damit eine Klassifizierung in "ordentliche europäische" und "unordentliche afrikanische" Musik vor. Jedoch sollte es für einen musikalische interessierten Menschen klar sein, dass auch afrikanische Musikstile und Instrumente die gleiche Wertigkeit haben und ebenso ihren Platz in der Musikwelt verdienen. Achtung und Wertschätzung gegenüber den lokalen Gegebenheiten, den Interessen, Gedanken und Ideen der Menschen, sind dabei der Schlüssel, um sich auf Augenhöhe auszutauschen.
 
 
Du fühlst dich nun verunsichert, wie du dich am besten verhalten sollst? Was darf man noch sagen? Wie erkenne ich, was der andere wahrnimmt und wie er sich fühlt? Wie gehe ich mit meinen Bedürfnissen um?

Schwirren dir diese und ähnliche Fragen im Kopf umher, dann ist der erste Schritt getan!! Du bist dann bereit dein eigenes Handeln selbstkritisch und reflektiert zu hinterfragen und dich mit Bedacht auf deiner Reise zu verhalten.
 

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